Dunkelflaute im Kopf – Artikel Cicero 12.11.2024
Originalbeitrag in Magazin Cicero 12.11.2024
Der Winter 2024 hat nicht einmal spürbar begonnen, da eskalieren bereits die Folgen der verfehlten Energiepolitik. Doch in der Bundes- wie der Lokalpolitik wird die Energiewende nach wie vor kompromisslos und orthodox verfolgt.
Novemberwetter. Geliebt hat man es damals so wenig wie heute. Doch seit der von der Politik immer kompromissloser und orthodoxer verfolgten Energiewende hat die Dunkelflaute das Potenzial zum Fürchten. Dabei sind die Warnungen von Ökonomen und Verbrauchern vor den Risiken beinahe so alt wie die Energiewende selbst. Es braucht nicht viel Phantasie, um die Versorgung eines Industrielandes wie Deutschland nur mit Sonne und Wind als Phantasterei zu sehen.
Einst titelte die FAZ, die „Dunkelflaute bedroht die Stromnetze“. Eine Mitschuld habe die zunehmende Abhängigkeit Deutschlands von Stromlieferungen aus Frankreich, weil dort vielfach mit Strom geheizt und bei „Novemberwetter“ die Energie im eigenen Land vorrangig gebraucht wird. Doch der zitierte Artikel der FAZ erschien schon 2016. Die Warnungen halten seit 20 Jahren an – grundlegend verbessert hat sich nichts. Von den Folgen des Ukrainekrieges abgesehen, haben es die Bundesregierungen seit der Physikerin Merkel bis heute verstanden, die Dramatik kräftig wachsen zu lassen.

Buch “Geopferte Landschaften” war ein Erfolg
Binnen weniger Wochen mehrere Auflagen verkauft.
Als das Buch am 9. November im Internationalen Presseclub München der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war es der denkbar schlechteste Tag. Denn in der Nacht zuvor war Donald Trump als US-Präsident gewählt worden und alle Aufmerksamkeit des folgenden Tages ging in eine andere Richtung. Aber das hat einen erfolgreichen Start des Bandes von Georg Etscheit nicht aufhalten können. Das somit erste richtige Debattenbuch zur Deutschen Energiewende führte binnen weniger Tage die Verkaufslisten der Spitzengrossisten an. Seit längerem beschäftigt die Deutsche Energiewende auch die europäischen Nachbarn. Aber auch in den USA gibt es eine Debatte über den deutschen Weg zum Klimaschutz. Lässt man das Naserümpfen der Anderen mal außer acht, so fällt dort eine wesentlich pragmatischere Diskussion des deutschen Weges auf. Allerdings vermerken ausländische Kommentatoren die zunehmende Ideologisierung und Hitzigkeit der deutschen Debatte. Die Fanatisierung von Gegnern und Befürwortern der Windkraft in Deutschland wird international mit Kopfschütteln bedacht. Auch schon vor Donald Trumps Wut-Twitterbotschaft zu deutschen Windrädern wurde immer wieder die Kopflosigkeit kommentiert, mit der in Deutschland Übergangstechnologien mit wissenschaftlich unhaltbaren Erfolgserwartungen proklamiert wurden.
Die Haltung der Nachbarländer lässt sich indessen auf den Punkt resümieren, dass dort sehr wohl der Klimaschutz präferiert wird. Was aber Deutschland gegenüber Ländern wie etwa Österreich unterscheidet, ist die heilsame Erkenntnis, dass konventionelle Kompromisstechnologien für eine flexible Übergangszeit wohl unvermeidbar sein werden. In Deutschland hingegen wird von den Nachbarn die ideologische Vehemenz belächelt, mit der Lobbyisten, die allesamt der Ökoindustrie nahestehen, den drohenden Weltuntergang bis 2050 postulieren. Unverständnis kommt dagegen auf, wenn ökologistische Gruppen die baldige Abschaffung fossil betriebener Kraftfahrzeuge fordern. Und – wenn es dann konkret wird, beschränkt sich diese Diskussion vor allem auf den PKW-Verkehr. Kein Kfz-Entwickler hat bislang, nicht einmal im Laboransatz, realistisch eine Lösung für den massiven LKW-Verkehr auf deutschen Straßen geliefert. Kein Ideologe hat bislang erklärt, wie die Klimabelastung durch Wegfall und Entsorgung der endlos vielen Alt-Technologien sich auswirkt, und vor allem, wie sie vermieden werden kann. Keine Fachkommission ist bislang dem Ansatz gefolgt, dass vielleicht die vielen, brandexplosiven politischen Konfliktherde mittelbar ein viel größeres Klimaproblem darstellen als der übergangsweise, möglichst maßvolle Gebrauch fossiler Brennstoffe. Keine Forschungskommission hat bislang realistische Szenarien entwickelt, ob nicht vielleicht die Investition der Milliarden und Trilliarden Geldes in die Entschärfung der Konfliktherde und die Schaffung sozialer Gerechtigkeit letztlich ein besserer Klimaschutz sind. Und niemand hat vorausberechnet, wie die absehbare politische Entwicklung in Europa und Asien im Falle einer kriegerischen Eskalation binnen der nächsten 50 Jahre vielleicht ein viel realistischeres Katastrophenszenario darstellt, als es die Abschaffung fossiler Kraftfahrzeuge vermeiden könnten.
So wird in vielen Ländern der deutsche Weg in den vorgeblichen Klimaschutz nicht selten und begründet als faktenbefreite (“postfaktische”) Überdrehung gesehen. Das Buch “Geopferte Landschaften” führt eben nicht in ideologischer, sondern in sachlicher und fachlicher Form durch all diese Aspekte. Es zeigt mit einigen Beiträgen vor allem aber Perspektiven einen wirklichen Lösungsansatz der eigentlichen Problematik. Und diese ist sehr wohl eine – von den rund zwanzig Autoren unverleugnete – Klimaproblematik. Doch diese Klimaproblematik ist eben eine Folge des hyperkapitalistischen, übersteigerten Energieverbrauchs und der völlig den Rahmen des Maßvollen übersteigenden Konsumgewohnheiten. Ob nun Weltuntergang im Jahr 2050 oder nicht, – wir verschwenden in jedem Falle zuviel! Und das ändert sich auch keinesfalls durch noch mehr Windräder, Solarkollektoren (Sondermüll!), Elektroautos, Biogasanlagen und Maisplantagen. Es wird Zeit, den Verstand wieder einzusetzen und zu erkennen, dass das Weltklima durch wildgewordene “Windrad”-Landräte und Gemeinden niemals gerettet werden wird. Es wird Zeit zu erkennen, dass jede Gemeinde, die heute hoch subventionierte Spekulationstechnik genehmigt, sich an künftigen Generationen durch Übersteigerung der Energiekosten versündigt.

Dezember 2015: Die Präsentationsfolie der Energieversorgung Simmern weist Windkraft als Risikogeschäft aus.
By the way: hat sich schon einmal jemand Gedanken darüber gemacht, weshalb die wirtschaftsnahen Marketingexperten der sämtlichen “Energieagenturen” ihre Heilsbringer-Technologien vornehmlich der ländlichen Bevölkerung aufschwatzen wollen? Wo doch die meiste Energie in Städten und Ballungsgebieten ziemlich unökologisch verpufft. Und wo doch ländliche Regionen allein schon wegen der geringeren Bevölkerungsdichte viel weniger klimarelevant sind. Die Antwort liegt darin, dass auf dem Lande zumeist Hausbesitzer noch selbst über das Eigentum entscheiden und investieren können, während der Stadtbewohner in Mietwohnungen nur wenig Einfluss auf die Öko-Ausstattung der Immobilie hat. Und – die Politik hat scheinbar erkannt, dass auf dem Lande die Menschen leichter abgezockt und mit Glasperlen zur Preisgabe des Tafelsilbers ihrer schönen Landschaft zu bestechen sind. Zeit, einmal darüber nachzudenken, was frühere Generationen an Naturlandschaft erhalten haben, und was das ein toller Klimaschutz war. Zeit nachzudenken, was heutige Landkreise binnen weniger Jahre aus Tausenden Quadratkilometern verspargelter zerschundener Wälder und Auen als “Energielandschaften” der Nachwelt für Trostlosigkeit hinterlassen. Und das Ganze dann noch mit Milliarden Kosten, ohne dass bislang auch nur 1 Gramm CO2 in Deutschland dafür eingespart wurde.
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