„In höchstem Maße anfechtbar“

„In höchstem Maße anfechtbar“

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End of Landschaft Titel

Sachlich falsch und rechtlich in höchstem Maße anfechtbar!“

Dokumentarfilm zu Windenergieanlagen erschüttert die Milter Bürger

Der Dokumentarfilmer Jörg Rehmann hat Fakten und Emotionen zur deutschen Windenergie-Politik zusammengetragen. In seinem Film „End of Landschaft – wie Deutschland sein Gesicht verliert“ hat er die gängige Praxis bei der Durchsetzung von Windparks in vielen Landschaften Deutschlands untersucht und kritisch hinterfragt. Ausgehend von Plänen, Windenergieanlagen in seiner Heimat im Odenwald zu installieren, ist er zum Teil schockierenden Machenschaften von Politik, Verwaltung und Windenergie-Lobby auf die Spur gekommen. Insgesamt rund einhundert Gäste haben sich die beiden Aufführungen des Films im Milter Schützenhaus angeschaut. 

Der 90-minütige Film hatte durchaus seine Längen. Oft mit viel Pathos schilderte Jörg Rehmann die Schönheit deutscher Landschaften. Vom Hunsrück und Odenwald über Friesland und die deutsche Ostseeküste bis nach Brandenburg führten den Dokumentarfilmer seine Recherchen. Und überall ging er Plänen nach, in ebendiesen Landschaften Windenergieanlagen zu bauen: In EU-Naturschutzgebieten, in unmittelbarer Nähe von Bauernhöfen, direkt vor der Küste des Ostseebades Kühlungsborn, um nur einige zu nennen. Dabei war die Art und Weise, wie all diese Projekte durchgesetzt werden sollten, überall ähnlich: Erst wurden die Projekte kleingeredet, aufgeteilt in kleine, separat zu genehmigende Teilbereiche, dann wurde die Anzahl der geplanten WEA stillschweigend erhöht, zugesagte Abstandsangaben zur Wohnbebauung unterschritten. Die Klage von Privatleuten und Initiativen gegen diese Projekte wurden entweder gerichtlich abgewiesen oder Urteile gegen Baumaßnahmen ignoriert. Ja sogar ein gerichtlich verfügtes Einschlagverbot in einem Naturschutzgebiet wurde unterlaufen, der Wald gerodet und Naturschützer bedroht und eingeschüchtert. Mit Hubschrauberflügen wurden insbesondere Vögel aus geplanten Windenergieparks vergrämt, damit Umweltgutachter keine geschützten Arten nachweisen konnten. Auch ein Whistleblower, der für ein Landratsamt mit der Genehmigung einer solchen Anlage befasst war, brachte schockierende Vorgehensweisen zutage: So hatte seine Behörde zwischen Weihnachten und Silvester 2017 mal eben die Genehmigung für einen Windpark erteilt, obwohl Umweltverträglichkeitsgutachten noch gar nicht vorlagen. Der Grund: Die Fördersummen für den Bau solcher Anlagen wären im Folgejahr deutlich niedriger.  Den Gipfel der Skrupellosigkeit aber stellte die Brandstiftung bei einem Baudenkmal dar, das als letztes Hindernis einem geplanten Windenergiepark im Hunsrück im Wege stand. Die Täter wurden nie ermittelt, das Verfahren eingestellt, so der Autor des Films. Ob es einen Zusammenhang mit dem Windenergieprojekt gibt, kann insofern nicht bewiesen werden. Aber ein fader Beigeschmack blieb bei den Zuschauern.

Interessant wurde es, als Landräte, Umweltökonomen und Verfassungsrechtler im Interview zu Wort kamen. Während ein Landrat klarmachte, dass er die Einnahmen von 10 Millionen Euro pro Jahr gegen den Umweltschutz abwägen müsste, sagte ein anderer, die Einnahmen durch die Windkraft seien ohnehin Steuersubventionen. Es sei dumm, sich über Geld der Energiekonzerne zu freuen, dass man selbst mit hohen Energiekosten zu bezahlen habe. Und Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler waren sich einig, dass das Narrativ der Politik der Alternativlosigkeit der Windkraft falsch sei. Es gebe durchaus Methoden, den CO²-Ausstoß in Deutschland zu reduzieren. Die Ironie sei, dass Windkraftanlagen, zieht man ihren Lebenszyklus und die immensen Schäden, die durch ihren Bau entstehen, in Betracht, den CO²-Ausstoß nicht reduzieren – im Gegenteil! Auch, dass die Bürger von solchen WEA profitieren, sei grundfalsch, ja eine freche Lüge! Die Einzigen, die von solchen Projekten profitierten, seien die Verpächter der Flächen, auf denen sie gebaut würden. Und natürlich die Projektierer, die durch die Vorgaben des Erneuerbare-Energien-Gesetzes EEG subventioniert würden. Selbst sogenannte Bürgerwindparks hätten inzwischen einen schlechten Ruf und brächten ihren Anteilseignern oft Verluste. Im Gegenteil skizzierten alle Ökonomen schon im Jahr 2017, dem Jahr, als dieser Film gedreht wurde, einen drastischen Anstieg der Energiepreise durch die deutsche Energiepolitik. Über alle Parteigrenzen hinweg sei man sich einig, dass nur mit erneuerbaren Energien das Weltklima zu retten sei. Das aber führe zu sehr fragwürdigen Mechanismen in der Politik. Weil die Unterstützung der Bürger für Windenergieanlagen messbar abnehme – sogar unter Natur- und Umweltschützern und eingefleischten Wählern der Grünen – würden umso heftiger und eiliger solche WEA-Projekte durchgedrückt: „Das hat mit Demokratie nichts mehr zu tun! Man macht etwas, was die Bevölkerung nicht will!“, so der damalige Bürgermeister von Kühlungsborn, Rüdiger Kozian im Interview. Dieser Druck führe dazu, heißt es in dem Film, dass Gutachterverfahren so lange gebeugt werden, bis sie auf das Ziel, nämlich den Bau eines Windparks, passen. Sogar Gesetzesverstöße und Beugung von Verwaltungsvorschriften seien nachgewiesen. Eine politisch gesteuerte Verwaltung, die das Narrativ von der Alternativlosigkeit von Windenergieanlagen mitträgt, lasse Zweifel an der Demokratiefähigkeit der Energiepolitik aufkommen. Und die Gewinnprognosen, so Prof. Joachim Weimann von der Uni Magdeburg, seien maßlos überhöht. Es mehren sich die Nachrichten über den schlechten Ertrag solchen Anlagen. Im Film zieht man daraus den Schluss, dass es sich bei vielen Windparks um einen großangelegten Subventionsbetrug handele. 

Die Bundespolitik indes halte an ihrem Ziel fest, ganz Deutschland zum industriellen Produzenten von Wind- und Sonnenergie umzubauen – ohne Rücksicht auf die Natur- und Landschaftsräume, die sie dadurch zerstört. Von der Lebensgrundlage der Menschen ganz zu schweigen, denn viele, denen diese Windmühlen auf den Pelz rücken, verlassen ihr Zuhause, unter großen persönlichen und finanziellen Verlusten. Im Emsland zum Beispiel würde dieser Prozess des „Entwohnens“ ganzer Landstriche von Politik und Projektieren sogar billigend in Kauf genommen. Die Bilder und Interviews dazu riefen bei den Zuschauern des Film Fassungslosigkeit hervor. 

1,4 Billionen Euro soll demnach der flächendeckende Ausbau der Windkraft in Deutschland noch kosten. Der Bundesrechnungshof attestiert im Film diesen Plänen, dass dadurch der Strompreis um 43 Prozent steigen und die Versorgungssicherheit in Deutschland akut gefährdet würde. Über mögliche Alternativen, aus der Produktion von CO² auszusteigen, wollen man seitens der Politik nicht diskutieren, so Prof. Weimann im Interview. Dabei sei der Emissionshandel ein billigerer, marktwirtschaftlicher und effizienterer Weg, CO² zu reduzieren. 

Nach dem Film skizzierte Thomas Birr als einer der Betroffenen von den Plänen zum Bau von Windkraftanlagen am Beverstrang den aktuellen Sachstand: Die Initiative „Gemeinsam für den Beverstrang“ hätte erst juristischen Druck ausüben müssen, bevor die Projektierer, in diesem Fall die Stadtwerke Münster, sie über das Bauvorhaben informiert hätten. Das sei indes ein reiner Verkündungstermin gewesen. Inzwischen sei klar, dass das rechtliche Vakuum durch den derzeit noch nicht rechtskräftigen Regionalentwicklungsplan von den Projektierern genutzt würde, um in Windeseile noch Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen durchzupeitschen. Denn wenn der neue Regionalentwicklungsplan Ende dieses Jahres vorgelegt würde, wären die Flächen, auf denen heute gebaut werden soll, nicht mehr für Windkraft vorgesehen. Die reale Situation bei der Planung der 17 Anlagen im Umfeld von Milte erinnert also durchaus an die Methoden, von denen im Film von Jörg Rehmann die Rede war. Nicht zuletzt auch deshalb, weil bei den Anlagen um Milte nie jene Anlagen erwähnt werden, die direkt nebenan, im Schirl, errichtet werden sollen. Rechnet man die dazu, würden aus 17 Windrädern schnell mal eben 35! Bauvorhaben kleinrechnen und verschleiern, erst auf Druck reagieren und dann versprechen, dass am Ende alle von Windkraft profitieren – das scheint in der Branche Usus zu sein, glaubt man dem Filmemacher. Und die Realität scheint ihn zu bestätigen. Ein Verfassungsrechtler bringt es im Film von Rehmann auf den Punkt: Das Narrativ von der Unverzichtbarkeit und Harmlosigkeit von Windenergie sei „sachlich falsch und rechtlich im höchsten Maße anfechtbar!“

von Mike Atig

Jörg Rehmann

Journalist - Autor

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