Mit Wasserstoff in den Niedergang

Mit Wasserstoff in den Niedergang

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Wirtschaftsminister Robert Habeck will bis 2040 die deutsche Energieversorgung ganz auf Basis von Wasserstoff umstellen. Die Finanzierung ist ebensowenig geklärt wie die Frage, wie das überhaupt funktionieren soll. Energie ist auf dem Weg zum unbezahlbaren Gut.

Es ist noch nicht lange her, dass die Berechnungen zur Finanzierung der Energiewende eine neue Hiobsbotschaft ergaben: Die spezialisierte Berliner Beratungsfirma e.venture rechnete vor, dass trotz der enormen Investitionen bis 2040 noch ein Versorgungsdefizit von rund einem Viertel des jährlichen Strombedarfs verbleibt. Eine dann nochmalige Steigerung der Erzeugungskapazitäten an Erneuerbaren würde zwar dieses Defizit reduzieren, nicht aber in Spitzenlastzeiten. Dies abermals mit Backup-Kraftwerken abzufangen, hieße, die Kosten ins Astronomische zu steigern, während jene Kraftwerke praktisch noch seltener zum Einsatz kämen. Dem steigenden Anteil Zufallsstromerzeuger stünde damit ein gigantischer Kraftwerkspark nur für Eventualfälle gegenüber. Der deutsche Stromkunde zahlt schon heute hohe Summen für Strom, der nicht erzeugt wird, also für Vorhalte- und Ausgleichsleistungen.

Es bleibt die Versorgungslücke

Kaum jemand dürfte von Robert Habecks Kraftwerksstrategie hier einen Befreiungsschlag erwartet haben. Vernünftig erscheint, mit dem Zubau von 10 Gigawatt zunächst nur einen Teil der insgesamt absehbaren Backup-Kraftwerke vorzusehen. Nachdem die neue McKinsey-Studie bis 2035 in Spitzenzeiten eine Fehlabdeckung von 54 GW ermittelt hat, sind jedoch die Größenordnungen klar. Auf enorme Kosten werden noch viel gigantischere Kostenlawinen folgen, und auch dann ist noch nicht absehbar, wohin die deutsche Reise zu einem klimaneutralen Energie- und Klima-Wunderland führt.

Nur ein Ziel ist indessen klar formuliert: Schlussendlich soll anstelle von fossilem Gas der Wasserstoff die finale Lösung sein. Doch er ist auch nur Speicher, nicht Erzeugung. Geschenkt, dass in allen bisherigen Studien die Umwandlungsverluste zur Wasserstoffgewinnung aus Erneuerbaren so hoch sind, dass eine wirtschaftliche Lösung bislang nicht erkennbar ist. Die scheitert ja weniger an technischen Möglichkeiten, sondern schlicht und einfach an unabwendbaren physikalischen Gegebenheiten. Geschenkt auch, dass Deutschlands zunehmende Abhängigkeit von potenziell unsicheren Erzeugerländern und zunehmenden geopolitischen Spannungen in all den Strategien nicht ansatzweise thematisiert sind.

Das hindert Habecks Ministerium nicht, mit dem Jahr 2040 schon mal das finale Datum festzulegen, bis zu dem Deutschland komplett auf Wasserstoff fährt. All das soll aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden. Darin klafft aber von Jahr zu Jahr eine größere Lücke, die durch Steuermittel auszugleichen ist. Fährt man durchs Land, so begegnen einem immer mehr Menschen, die längst verstanden haben, dass die deutsche Energiewende kein Hemd mit Löchern, sondern ein riesiges schwarzes Loch mit dem Potential ist, alles Leben im Staate in seinen Abgrund zu ziehen. Daran ändert auch Habecks Strategie nichts, im Gegenteil, sie wirft immer neue Fragen und Unsicherheiten auf.

Sicher ist, dass nichts sicher ist

Es bleibt dabei, dass Deutschland nach Abschaltung der letzten sechs funktionierenden Atomkraftwerke ins Jammertal fossiler Energieerzeugung mit Gas und vor allem Kohle absteigt und voraussichtlich noch lange darin gründeln wird. Sehr wahrscheinlich, dass der absolute Tiefpunkt fossiler Tauchfahrt noch längst nicht erreicht ist. Da ist es reichlich Gratismut, wenn der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) Habecks neues Konzept begrüßt; hier hat man gut Lachen, weil der Steuerzahler für die Vorhaltekosten von Gaskraftwerken in die Pflicht genommen wird. Jedes Unternehmen, das seine Position am Weltmarkt behaupten muss und nicht dermaßen subventioniert wird, sucht in Habecks Strategie vergeblich nach Eckdaten sicherer Planung und Investition. Diesbezügliche Details wurden erst einmal vertagt.

Details der Finanzierung der Kraftwerksstrategie sind ebenso unklar wie beihilferechtliche Fragen. Nicht einmal die Ausschreibungszeiträume sind klar. Schon ab 2028 soll der Stromkapazitätsmarkt greifen, aber noch ist völlig unklar, wie er funktionieren soll. Angesichts der Reibungsverluste in der Koalition und Komplexität dieses Neulands ist ein Ausstieg aus der Kohleverstromung im Jahr 2030 zunehmend unwahrscheinlich. Denn der Bau der Reservekraftwerke wird kaum vor Ende des Jahrzehnts abgeschlossen sein, und zunächst ist auch nur die Hälfte der erforderlichen Kraftwerksleistung ausgeschrieben.

Sinnvoll wäre es, mit dem Bau der Gaskraftwerke gleich die Möglichkeit der CO2-Abscheidung (CCS) mit vorzusehen. Hierdurch wäre der Malus weiterer Fossil-Produktion für die noch lange absehbare Übergangsphase zur Klimaneutralität ausgeglichen. Doch die großen Umweltverbände haben an dem Verfahren bereits Kritik angemeldet, da hierdurch „die Büchse der Pandora und die weitere Abhängigkeit von fossilem Erdgas unnötig in die Länge gezogen“ werde, so der Deutsche Naturschutzring . Er hängte die Latte nochmals höher und forderte die Eingrenzung auf grünen Wasserstoff.

Risiko innere Stabilität

Der Zubau von Windkraft und Solarerzeugern läuft etwas besser, doch eine Dynamik, wie sie die beabsichtigten Eckdaten der neuen Strategie erfordern würde, ist nicht erkennbar. Im Gegenteil: Die einstweilige, faktische Aussetzung des Natur-, Arten- und Landschaftsschutzes dürfte sich nicht ins Unermessliche ausdehnen lassen. Die freien Naturschutzverbände  verfolgen bisher noch eine abwartende Strategie und hoffen auf eine deutliche Kurskorrektur durch eine neue Regierung. Sollten Habeck bzw. die Ampel ihren Kurs der Schleifung von Landschaft und Natur weiter fortsetzen, dürften lange vorbereitete Klageschriften aus dem Schreibtisch geholt werden. Irgendwann wird auch für die großen Naturschutzverbände wie NABU und BUND der Punkt kommen, wo die Zerstörung immer größerer Lebensräume durch Energietechnik nicht mehr mit Satzung und Mitgliedern vereinbar sein dürfte.

Gerade in ländlichen Räumen verzeichnet die AfD immer größere Zustimmung im Kampf gegen die Überprägung der Landschaft durch Windräder, und sie ist in dieser strikten Ablehnung die einzige Partei. Im Osten Deutschlands hat dies längst erhebliche Wahlrelevanz. Nicht zuletzt waren es Wirtschaftsvertreter, die darauf hinwiesen, dass Wut und Unzufriedenheit in breiten Bevölkerungsschichten auch schädlich für die Gewinnung qualifizierten und motivierten Personals sind.

Ungeachtet all dessen steht dem Ausbau der Erneuerbaren gegenüber, dass ein zunehmend hoher Anteil neuer Anlagen nur Ersatz für ausgediente Altanlagen ist. Zudem wird der Ausbau der Leitungen noch lange dauern, die Netzkosten eskalieren und werden bislang mit 450 Mrd. Euro beziffert.

Ohne Kompass in schwerer See

Die Kraftwerksstrategie ist mithin eine schwere Geburt, und die Ampel eine leidende Mutter, deren Überleben nicht einmal sicher ist. Deutschland befindet sich in einer Rezession. Täglich brechen dem Wirtschaftsstandort Ressourcen weg, die aller Voraussicht nie wiederkommen werden. Eine der wichtigsten Ressourcen aber – das Vertrauen der Bürger – ist schon lange erschüttert. Auch wer die komplexen Elemente von Habecks Strategie nicht in ihrer Tragweite einzuschätzen vermag, der sieht gleichwohl, dass Energie auf dem Wege zum unbezahlbaren Gut und existenziellen Lebensrisiko ist. Das versteht vom Rentner bis zum Vorstandschef großer Unternehmen jeder. Und daran hat auch die Kraftwerksstrategie nichts geändert, im Gegenteil.

Selbst die der grünen Politik gewogene Energie-Ökonomin Claudia Kemfert bescheinigt der Strategie auf Basis einer Großzahl neuer Gaskraftwerke, dass sie die teuerste Lösung ist. Die günstigere Lösung, nämlich die letzten sechs Kernkraftwerke erst einmal zum Übergang in Betrieb zu lassen, wurde verworfen. Das, was jetzt in einem ersten Schritt teuer und fossil neu projektiert werden muss, ersetzt nicht einmal die Kapazität dessen, was aus ideologischen Gründen mit der Kernkraft leichtfertig abgeschaltet wurde.

Dieser Text erschien am 6. Februar 2024 auf Cicero: lesen….

Jörg Rehmann

Journalist - Autor

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