Monatsarchiv 27. Januar 2019

“Menschen hautnah” – Ein Bauernopfer des WDR. Und sonst noch was?

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Nach Veröffentlichungen über die Besetzung von Doku-Formaten mit Darstellern aus Komparsenagenturen ist in der Branche eine rege interne Diskussion losgebrochen. Aber auch eine höchst angestrengte Diskussion. Ziemlich offen brach da die Kritik der Filmautoren und Produzenten an öffentlich-rechtlichen Fernsehredaktionen heraus. Nachdem beim WDR Fälle sexueller Belästigungen bekannt geworden waren, war ein Gutachten über Ursachen und Abhilfe in Auftrag gegeben worden.

Die interne Diskussion in der Branche ist, erst recht nachdem sich der WDR von der betreffenden Autorin trennte, verunsichert. Einerseits sind die dokumentarischen Filmautorinnen und Autoren auf Aufträge angewiesen, andererseits haben Redaktionen zumindest teilweise erhebliche Macht, um die Gestaltung von Filmbeiträgen quotenhörig und selbstverliebt zu triggern. Es geht der Satz um, die Doku-Autoren würden immer mehr zu Erfüllungsgehilfen selbstherrlicher Redaktionen.

Ich habe dieser Diskussion noch einen Aspekt hinzugefügt. Es geht nämlich nicht nur um den möglichst journalistischen Umgang mit Protagonisten. Es geht auch um das journalistische Auftreten ansich. Ich habe ja nun unsere Energiewende-kritische Doku in die Welt gesetzt. Und wir waren Bild für Bild authentisch, mit minutiösen Einblendungen der Quellen unserer filmischen Aussagen. Kürzlich hat uns ein Lokaljournalist sinngemäß vorgeworfen, dass eine solche Aufführung dokumentarischer Fakten ja ein tendeziöses Problem des Autors wäre. Soweit sind wir gekommen: der unschöne Röntgenbefund sei ein Problem des diagnostizierenden Arztes.

Das dokumentarische Kino ist bei bestimmten politischen Themen längst im Begriff, zum Tummelplatz kommerziell finanzierter Gesinnungsfilme in journalistischem Gewand zu werden. Da gibt es Kolleg*innen, die hoch bezahlt von Industrieunternehmen einen Film nach dem anderen produzieren, um bestimmte Produkte in ihren Wirkungen schönzureden, und in ihren Auswirkungen kleinzureden. Das sind Kolleg*innen, die nicht davor scheuen, ihre subjektiven Filme mit hohen, öffentlichen Zuschüssen an Schulen verteilen zu lassen, wo doch politische und interessengeleitete Einflussnahme eigentlich untersagt sind. Und dieselben Kolleg*innen sind es auch, die in persona ihr legitimes, parteipolitisches Engagement mit einem quasi-journalistischen und kommerzgeleiteten Auftritt auch noch ideologisch verklären. Wenn ich auf die Webseiten dieser Leute gehe, dann ist das wie ein Warenhaus aus Technikprodukten, die mit dem herbeigeredeten, duftigen Geist der Werbeindustrie und mit weltverbesserischen Rechtfertigungen daherkommen.
Das kann man machen, wenn man es als Industrie- oder eben Gesinnungsfilm deklariert. Aber nicht nur im Fernsehen, auch im dokumentarischen Kino verderben solche Arbeiten den Blick für den fachgerechten Umgang mit Information und Fakten. Auf genau diesem Sumpf sprießen dann auch die Pläne, genau jene journalistischen Arbeiten mit Drohungen und Denunziationen zu unterdrücken, weil die Wahrheit nicht in Einklang mit geschäftlichen und politischen Interessen gebracht werden kann. Weil das öffentlich-rechtliche Fernsehen nun doch noch nicht so ganz frei manipulieren kann, verwundert es nicht, dass sich die Manipulatoren im Kino ein Eldorado geschaffen haben. Ungeniert werden dort im Gewand dokumentarischer Filme Gesinnungs-Streifen gezeigt. Und ebenso ungeniert, wenn auch reichlich kleingedruckt, erscheinen dann lange Listen kommerzieller Geldgeber in den Nachspännen der Filme. Das sind Firmen, die ein wirtschaftliches Interesse daran haben, dass ihre Produkte unkritisch dargestellt, deren Technikfolgen unbedenklich erscheinen. Firmen, die in ein undurchschaubares Dickicht politischer und wirtschaftlicher Interessenverfilzungen verwoben sind. Und Firmen, die ihre kommerziellen Absichten allzugern in weltverbesserischen Idealen verkaufen. Die Energiewende und der Kampf ums bessere Weltklima sind da nur willkommene Vehikel, um drastische technische Eingriffe in natürliche und soziale Lebensräume zu rechtfertigen. Etikettiert als Gesinnungsfilm, wird solches in einer offenen Gesellschaft toleriert werden müssen. Doch im Gewand journalistischer Dokumentation ist es so etwas wie Urkundenfälschung.

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Jörg Rehmann

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