Der deutsche Windrad-Rigorismus stößt unsere Nachbarn vor den Kopf (Cicero 11.2.2025)
Das Ende des Warschauer Paktes brachte Versöhnung zwischen Tschechien und Deutschland. Doch jetzt zieht ein eklatanter Konflikt an der Grenze zwischen Tschechien und Bayern auf. Die Ursache: wilder Windradbau und wilder Windradmüll. Versuch einer Bestandsaufnahme.
Die vielen Jahrzehnte Abgeschiedenheit während des „Eisernen Vorhangs“ haben aus der Randlage der ehemaligen Grenze…
…zum Warschauer Pakt zwischen Ostbayern und dem heutigen Tschechien ein Naturparadies gemacht. Entlang der früher undurchdringlichen Grenze blieb manches historische oder touristische Ziel lange unerreichbar. Seit 1975 kartierten Naturschützer des BUND seltene Arten in dem nahezu menschenleeren Areal. Nach Öffnung der Grenze folgte ein Aufblühen von Kultur und Handel. Im BUND reifte der Plan, den langgezogenen Grenzverlauf zu einem europäischen Biotopverbund zusammenzufassen.
Das „Grüne Band“ zählt seitdem zu den wichtigsten ökologischen Projekten und Regionen Europas. Dieser Hotspot unberührter Natur und seltener Arten zieht sich in Bayern über 350 Kilometer vom Dreiländereck Bayern-Sachsen-Tschechien bis nach Oberösterreich bei Freyung. An seiner Linie entstand eine Vielzahl natur- und kulturhistorischer Ziele, ein sanfter Tourismus wurde entwickelt. Seitdem wuchsen zwischen Deutschland und Tschechien freundschaftlichste Verbindungen. Auch auf naturschutzfachlicher Ebene wurde eng zusammengearbeitet. In diese sensible Situation rammen deutsche Akteure jetzt Entgleisungen und Projekte wie Pfähle, die das gegenseitige Verhältnis zwischen den Staaten achtlos ruinieren. Und natürlich spielen Windräder dabei eine zerstörerische Rolle.
Höchstwertiges Schutzgebiet
Im Grenzland westlich von Pilsen liegt das Naturschutzgebiet Český les. Es besteht aus einem mosaikartigen Komplex naturnaher Bäche, Moore und Bergwiesen mit Biotopen auf Torfboden und Fichtenwald. Von damaliger tschechischer Seite war das Gebiet vor dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes mehrere Kilometer breit entsiedelt. Ehemalige Orte wurden geschleift. Im Gegensatz zum sonstigen dicht besiedelten Bundesgebiet können Touristen dort heute eine völlig naturbelassene Landschaft erleben.
In Deutschland ist der Naturschutz durch Jahrzehnte urbaner Begehrlichkeiten vergleichsweise stark geschwächt. Um den Bestand schützenswerter Arten am Grünen Band in Bayern paritätisch zu erfassen, hatte die Hochschule Weihenstrephan-Triesdorf das gesamte Areal in Kooperation mit tschechischen Experten dokumentiert. In Tschechien gilt dort die höchstwertige Zone 1 mit entsprechend „strengem Schutz des Landschaftscharakters“, in Bayern hingegen das europäische Schutzstatut Natura-2000.
Ein Vorgehen wie die Axt im Walde
Der kleine bayerische Ort Bärnau im Landkreis Tirschenreuth liegt idyllisch eingebettet in diese Landschaft aus Wiesen, Hochmooren, Bauminseln, Quellen und Seen. Um das Jahr 2017 kamen hier Windkraftplanungen auf. Das schlug vor Ort ein wie eine Bombe. Naturschützer waren entsetzt, die Aufbauarbeit des Grünen Bandes von Jahrzehnten geriet in Gefahr. Eine ganze Reihe renommierter Fachorganisationen protestierte. Schließlich sei es dem Windpark-Projektierer gelungen, Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) für das Projekt zu begeistern. Der habe daraufhin durchregiert, das Projekt zur Chefsache gemacht, nachgelagerte Instanzen übergangen und den Bürgermeister von Bärnau für die Pläne begeistert. Fortan war der Ort gespalten. Es wurden zunächst vier Windräder im Abstand von je ca. 1,7 Kilometern vorgesehen. Naturschützer forderten deren Einstufung als zusammenhängende Windfarm.
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